Im Gradierwerk, auf dem Gradierwerk und in Bad Rothenfeldes Unterwelt
Ein unscheinbares Türchen irgendwo in der 412 Meter langen und zehn Meter Hohen Schwarzdornwand des Neuen Gradierwerks öffnet sich. Man steigt ein paar Stufen hoch, tritt hindurch – und ist in einer anderen Welt. Ein bisschen Licht fällt von weit oben herein, ein bisschen Helligkeit schimmert durch die aufgeschichteten Zweige. Und wenn sich die Augen ans Zwielicht gewöhnt haben, sieht man allmählich das stetige Fließen und Tröpfeln, das man bis dato nur gehört hatte. Was von außen sehr massiv und kompakt wirkt, entpuppt sich hier drinnen im Demonstrationsgang und auf dem Weg in die Inhalationskammer als filigrane Holz-Konstruktion.
Wer zu Beginn des Rundgangs einen Kunststoff-Umhang gekauft hat, weiß jetzt warum. Denn durch das Rieseln über Reisig verdunstet viel Wasser, der Salzgehalt der Sole steigt, so dass Tropfen auf der Kleidung schnell zu leuchtend weißen Flecken werden. In der Inhalationskammer entstehen Salzflecken sogar ohne Tropfen, denn hier ist der Solenebel so dicht, dass man kaum zwei Meter weit sehen kann. Tief einatmen – 20 Minuten genügen, dann sind Nebenhöhlen wieder frei, Husten und Heiserkeit wie weggeblasen und Allergiker können wieder entspannt lächeln.
Das Prinzip, wie in Gradierwerken der Grad des Salzgehalts in der Sole gesteigert wird, mag simpel sein. Die geführten Rundgänge erhellen jedoch die ganze Raffinesse der historischen Technik, die dazu nötig war. Dazu gehört auch der Aufstieg zur rekonstruierten Windkunst auf dem neuen Gradierwerk. Windkraft treibt hier die Pumpe an, mit der die Sole immer und immer wieder in die Höhe geschafft wird, damit sie rieselnd mehr und mehr Wasser verliert – bis sie schließlich im Siedehaus mit möglichst wenig Brennstoff gesiedet, getrocknet und so zu Salz veredelt wird. Jedenfalls war’s früher so. 1969 stellte man die Produktion ein, da Salz andernorts viel billiger gewonnen werden konnte. Dennoch blieben die Gradierwerke, da Bad Rothenfelde längst ein Sole-Heilbad und die aerosolreiche Luft im Kurpark unverzichtbar war.
Ein Höhepunkt der Führung ist der Aufstieg aufs Gradierwerk: Der Ausblick über den Ort, auf den Kurpark und auf den Teutoburger Wald ist einfach herrlich. Ein weiterer Höhepunkt liegt in der Tiefe, in den Solegängen aus dem 18. Jahrhundert, die vor wenigen Jahren zum Teil freigelegt und zugänglich gemacht wurden. Unter Backsteingewölben floss hier die Sole zum Gradierwerk. Noch ein Tipp zum Schluss: Nicht erschrecken, wenn die Gästeführer die historische Fördertechnik in Gang setzen.